Das 1971 eingeweihte, evangelisch-lutherische Kreuzberg-Gemeindezentrum in Altenkunstadt ist für viele Menschen aller Altersgruppen ein Ort der Gemeinschaft und ein Stück Heimat geworden. Doch nun ist es in die Jahre gekommen und entspricht nicht mehr den Bedürfnissen der Bürger, die im Ort leben. „Immer wieder merken wir, dass Menschen, die gerne dabei wären, deshalb nicht zu uns kommen können. Ich denke dabei vor allem an Menschen mit motorischer Beeinträchtigung oder Sehbehinderung“, erklärt Pfarrerin Bettina Beck.
Doch das soll sich nun ändern. Die evangelische Kirchengemeinde hat dazu eine Arbeitsgemeinschaft Inklusion ins Leben gerufen, die in den vergangenen Monaten ein Leitbild für Inklusion in der Gemeinde und eine Strategie zur konkreten Umsetzung erarbeitete. „Auf dem gemeinsamen Weg, den wir gegangen sind, ist uns vieles aufgefallen, wo wir als Kirchengemeinde Barrieren abbauen wollen, nicht nur physisch-baulich im Gemeindezentrum, sondern auch in den Köpfen und Herzen der Menschen. Uns eint das Ziel, immer mehr zu einer bunten, offenen, vielfältigen Gemeinschaft zusammenzuwachsen“, sagt Beck. Unter den 15 Teilnehmern waren neben der Geistlichen und Mitgliedern des Kirchenvorstands auch Vertreter sozialer Einrichtungen wie Caritas, Diakonie, Regens Wagner und VdK. Aber auch Gemeindeglieder, die selbst von einer körperlichen Beeinträchtigung betroffen sind, engagierten sich in der AG. „Wir haben viel geredet, diskutiert, einander inspiriert und dabei gute neue Ideen gefunden, wie unsere Kirchengemeinde inklusiver werden kann“, beschreibt Beck die Arbeit der Gruppe. Doch bevor die AG Inklusion mit der Ausarbeitung konkreter Vorschläge beginnen konnte, galt es erst einmal, sich zu informieren. Sie setzte sich mit der politischen Gemeinde und der Pressestelle des Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) in Verbindung, um aussagekräftige Daten darüber zu erhalten, wie viele Menschen mit welchen Merkmalen von Behinderung oder mit sozialer Ausgrenzung aktuell in Altenkunstadt leben. Die AG fragte bei Menschen mit Behinderung und bei Organisationen nach, die sich für diese einsetzen: Was braucht ihr? Was muss sich in der Kirchengemeinde ändern? „Und nicht zuletzt wollten wir von den leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Kirchengemeinde wissen, wo sie offen sind für mehr Inklusion“, berichtet Pfarrerin Beck. Aufgeteilt in vier Arbeitskreise erarbeiteten die Teilnehmer Vorschläge für den Kirchenvorstand, wie die Kirchengemeinde Barrieren abbauen sowie Strukturen aufbauen und pflegen kann, damit in Zukunft mehr Menschen mit Behinderung und sozialer Ausgrenzung die barrierefreien Räumlichkeiten nutzen und am Gemeindeleben teilhaben können. Der Arbeitskreis „Bau“ regte an, vor dem Gemeindehaus einen Behindertenparkplatz anzulegen, einen klar erkennbaren Eingangsbereich mit Platz für Rollatoren und Kinderwagen zu schaffen und die Treppe durch eine langgezogene Rampe mit vorgeschriebener Neigung zu ersetzen. Vorgeschlagen wurden barrierefreie Toiletten, ein Wickeltisch für Eltern mit Kleinkindern sowie ein Treppenlift, der die beiden Stockwerke verbindet. Ein Lichtkonzept mit unterschiedlicher Helligkeit und Beleuchtung für Kontraste und gute Sichtbarkeit käme Menschen mit Sehbehinderung und Orientierungsschwierigkeiten entgegen. Was ist nötig, um Menschen mit Behinderung und sozialer Ausgrenzung die digitale Teilnahme an den Aktivitäten der Kirchengemeinde in und außerhalb von Pandemiezeiten zu ermöglichen? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Arbeitskreis „Technik und Digitales“. Nach Ansicht der Teilnehmer wären ein Internetzugang mit Wlan sowie eine elektronisch-digitale Ausrüstung mit Whiteboard, Flipchart, Pinnwand und einem fest installierten Beamer an der Decke hilfreich. Außerdem sollten neben Präsenzveranstaltungen auch digitale Veranstaltungen angeboten werden. Mit einer Fülle von Ideen, wie sich die Angebote innerhalb der Kirchengemeinde vertiefen und erweitern lassen, wartete der Arbeitskreis „Gemeindeleben“ auf. Er regte unter anderem an, Menschen mit Behinderung aus den Regens-Wagner-Wohngruppen zu Veranstaltungen der Gemeindekreise einzuladen, die ehrenamtlichen Fahrdienste auszuweiten, mit dem Fahrdienst des Malteser-Hilfsdienstes Altenkunstadt zu kooperieren und die Gruppenleitungen durch Vorträge, Begegnungen und Gespräche dafür zu sensibilisieren, wie sich weitere Brücken bauen ließen. Für Menschen mit Sehbehinderung, Leseschwierigkeit oder Lernbehinderung könnten in der Bücherei der Kirchengemeinde Hörbücher oder Tonies angeboten werden. Auch neue Gottesdienstformen wie Video-, Freiluft- und Mitmach-Gottesdienste könnten sich die Teilnehmer vorstellen. Der gemeinsame Prozess im Rahmen der AG Inklusion, die enge und vertrauensvolle Kooperation sowie der Austausch über die Grenzen unterschiedlicher Organisationen und Institutionen hinweg hat bereits jetzt eine positive Wirkung auf den sozialen Zusammenhalt. Nach Meinung des Arbeitskreises „Außenperspektive – Kooperationen und Öffentlichkeitsarbeit“ ist es deshalb wichtig, diese Netzwerkarbeit bewusst fortzusetzen. Mit Veröffentlichungen im Gemeindebrief und auf der Homepage, in Predigten, in Ansprachen bei öffentlichen Ereignissen und Vereinsfeiern oder in den Medien könne die Kirchengemeinde öffentlich wahrnehmbar für die Anliegen der Inklusion eintreten. „Unser Ziel ist es, das Thema Inklusion weiterhin und regelmäßig ins Bewusstsein der Menschen im Ort zu holen und das urchristliche Anliegen einer barrierefreien Gesellschaft, an der alle Menschen als unterschiedliche und gleich wertvolle Geschöpfe Gottes selbstbestimmt teilhaben können, in die Köpfe und Herzen der Menschen hier vor Ort zu befördern“, fasst Pfarrerin Bettina Beck zusammen. Text: Bernd Kleinert